Vorwort
Bevor wird damit beginnen, uns mit der jetzt entstandenen neuen Rechtslage zu befassen, ist zu deren Verständnis ein kurzer Rückblick erforderlich.
Das Vereinigte Königreich ist im Jahre 1973 der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetreten, die schon seinerzeit als Staatenbund organisiert war. Das Verhältnis der Mitgliedstaaten hat sich nach und nach inhaltlich vertieft, was in verschiedenen Mitgliedsstaaten mit Unzufriedenheit quittiert wurde. In Großbritannien war wohl aus Gründen der vormaligen Weltmachtstellung die Neigung, Kompetenzen an ein supranationales Organ abzugeben, immer besonders gering. Richtig glücklich wurde das Königreich mit seiner Zugehörigkeit zur Europäischen Union innerlich nie. Es hat auch immer auf Sonderrechte gepocht.
Zum Funktionieren des zoll- und hindernisfreien Handels zwischen den europäischen Nationen mussten zahlreiche Hemmnisse abgebaut werden.
Dies ging einher mit dem partiellen Verlust der nationalen Souveränität. Das Regelwerk, das einen fairen Handel und das wirtschaftliche Gedeihen des Gesamtraumes voraussetzte, wurde immer dichter und hat zu einer Superbehörde in Brüssel geführt. Gleichwohl funktioniert der Binnenmarkt vortrefflich, wovon wir vor allem in Deutschland nachdrücklich profitieren. Die zum Funktionieren des Marktes erforderlichen Regelungen sind auf der Höhe der Zeit, so dass alle Fragen, die für das Funktionieren des Wettbewerbs und ein erfolgreiches Unternehmertum im Binnenmarkt gelöst werden mussten, erledigt sind.
Aus diesem umfassenden und funktionierenden Regelwerk ist das Vereinigte Königreich am 31.12.2020 ausgetreten und hat nun gegenüber der EU den Status eines Drittlandes. Das zum Austritt geschlossene Abkommen Brexit – Austrittsabkommen (Brexit I) regelt vor allem die Abwicklung der Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU, insbesondere auch die hierbei in Zukunft weiterhin geltenden, aus früheren Verpflichtungserklärungen Großbritanniens den europäischen Institutionen gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten. Ferner wurde mit großer Mühe die Nordirland-Frage gelöst. Schließlich verständigte man sich darauf in einer Übergangszeit bis zum 31.12.2020 einen weiteren Vertrag über die zukünftige Zusammenarbeit in Bereichen des Handels, der Dienstleistungen und sonst interessierender einzelner Regelungsmaterien abzuschließen. Das Austrittsabkommen wurde ratifiziert. Das Handelsabkommen wurde jetzt am 24.12. zunächst schlussverhandelt.
Im Brexit I – Deal wurden vor allem Regelungen, die die Übergangszeit betreffen vereinbart. Darüber hinaus wurden aber auch Regelungen für die Zeit im Anschluss an die Übergangsperiode, die am 31.12.2020 endet, getroffen. Dies gilt vor allem für den Bereich der Justiz. Sachverhalte, die bereits vor dem Ende der Übergangsperiode verwirklicht waren, werden nach den bisherigen zivilrechtlichen Regelungen, also vor allem nach den Rom I - und Rom II – Verordnungen, die die Zuständigkeit des jeweils bestimmenden Rechts regeln, entschieden. Alle Zahlungsbefehle und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die vor dem 31.12.2020 eingeleitet wurden, werden nach den dafür geltenden Regeln abgeschlossen.
Das Brexit II – Abkommen regelt den rechtlichen Rahmen für den zoll- und hindernisfreien Handel mit Gütern und Dienstleistungen. Damit werden allerdings Zollkontrollen zur Einhaltung qualitativer Anforderungen in den jeweils anderen Wirtschaftsbereich nicht ausgeschlossen. Insbesondere muss die Herkunft mindestens der Hälfte der Komponenten eines Wirtschaftsgutes aus dem anderen Teil nachgewiesen werden und es muss die gesundheitliche und technische Unbedenklichkeit von Wirtschaftsgütern bewiesen werden. Auch wird dies zu Schlangen an den Zollabfertigungen führen.
Zu den Dienstleistungen ist bislang nur geregelt, dass Benachteiligungen gegenüber inländischen, sonstigen ausländischen und Bewerbern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht vorkommen dürfen. Ferner ist die Aufenthaltsdauer von bestimmten Dienstleistern in Großbritannien zeitlich limitiert worden. Schließlich ist auch klargestellt, dass bei den Dienstleistungen die Qualitätsstandards des jeweils anderen Blocks eingehalten werden müssen. Darüber und über die Fragen, für welche Dienstleistungen eine ausdrückliche Lizensierung nun erforderlich ist sowie welche Behörde dafür zuständig ist, werden noch Ausführungsregeln zu finden sein.
Auf dem Gebiete des Rechtswesens ist zwar eine Zusammenarbeit bei Kriminaldelikten vereinbart worden. Für das wirtschaftlich wichtige Gebiet des Zivil-/Handelsrechts sind aber keine auf der Höhe der Zeit stehenden Regeln vereinbart worden. Hier fallen wir auf multilaterale Übereinkommen zurück, die schon zur Zeit des Beitritts von Großbritannien in die EU bestanden.
Es ist mithin absehbar, das zum Gelingen der Assoziierung des UK an die EU weitere Abkommen auf mehreren Sachgebieten werden folgen müssen.
In den ersten Monaten des Jahres 2021 wird es die größte Herausforderung sein, angesichts großer Regelungslücken zu im Einzelfall praktisch funktionierenden Lösungen zu kommen.